Der Zwickauer Bildschnitzer Peter Breuer zählt zu den
bedeutendsten Künstlerpersönlichkeiten der Spätgotik in
Westsachsen. Auch heutzutage sind außer in Kirchen auch
viele seiner Werke in Museen, z. B. in Zwickau, Freiberg, Gera,
Leipzig, Prag, Meißen und Berlin zu finden. Das Leben und
Wirken Peter Breuers war eng mit seiner Heimatstadt Zwickau
und deren Umgebung verbunden. Ein Großteil seiner Aufträge
kam aus Kirchgemeinden dieser Region. Die neuen Erz- und
Silberfunde in Sachsen trugen dazu bei, dass Zwickau Ende
des 15. Jahrhunderts einen gewaltigen wirtschaftlichen
Aufschwung erlebte. In Zwickau lebten damals mehr Menschen
als in Dresden.
In diese Zeit des Umbruchs hinein, etwa 1472/73, wurde Peter
Breuer als Sohn des Messerschmiedes Hans Breuer geboren.
Selbst in Zwickau ansässig, wird der junge Breuer wohl auch
das Bildschnitzerhandwerk bei einem einheimischen Meister
erlernt haben. Danach ging er in Richtung Süddeutschland auf
Wanderschaft und lernte dort Arbeiten Tilman
Riemenschneiders, Gregor Erharts und Martin Schongauers
kennen, die ihn für sein weiteres Schaffen prägten. Dass er
danach in seine Heimat zurückkehrte, belegt ein Eintrag ins
Zwickauer Stadtbuch, datiert vom 27. Oktober 1498.
Wir können heute davon ausgehen, dass er ungefähr ab 1504
selbständiger Meister war. Die nun folgenden Jahre des
Bildschnitzers verliefen sorgenfrei. Nachdem er 1504 das
Bürgerrecht von Zwickau erworben hatte, kaufte er ein Haus
und heiratete Barbara Rudel, die ihm drei Kinder gebar. Sein
gewissenhaftes Arbeiten und der daraus entstandene gute Ruf
verhalfen ihm und seiner Familie zu bürgerlichem Wohlstand.
Doch die mit der Reformation verbundenen gesellschaftlichen
Umbrüche brachten das ruhige Leben des Künstlers
durcheinander, es bestand kein Bedarf mehr an katholischen
Altären.
Im Jahre 1521 schuf Breuer sein letztes Altarwerk. Eine
Verschuldung seiner Familie war die unabwendbare Folge. Von
nun an konnte der Bildschnitzer nur noch mit
Gelegenheitsarbeiten seinen Lebensunterhalt bestreiten. Am 12.
September 1541 starb er, wie im Kirchenbuch von St.
Katharinen zu Zwickau nachlesbar ist, als fast Siebzigjähriger.
Zusammenfassend soll nochmals auf die Bedeutung Breuers für
den westsächsischen Raum hingewiesen werden. Peter Breuer
schuf im Laufe seines Lebens mehr als 53 Werke, darunter 33
Altäre mit mehr als 200 Figuren. Alle diese Arbeiten legen
Zeugnis ab von dem umfangreichen Wirken des Bildschnitzers
und der hohen künstlerischen Leistung.
Aus: S. Ebert: Peter Breuer - ein bedeutender sächsischer Bildschnitzer der Spätgotik, Langenweißbach 2003
Das von Peter Breuer um 1502 für die Zwickauer Marienkirche
geschaffene Andachtsbild bezeichnet man als Pieta (ital.,
Frömmigkeit) oder als Vesperbild. Pietas sind bildliche
Darstellungen der um ihren Sohn trauernden Maria, die den
Leichnam Jesu auf den Knien hält oder zu ihren Füßen liegen
hat.
Es war (und ist) Brauch am Karfreitag, dem Tag der
Kreuzigung im Gottesdienst des Hingerichteten zu gedenken.
Das geschah nachmittags zur Zeit der Vesper. Weil die
Plastikgruppen der Mutter mit ihrem toten Sohn dem gleichen
Anliegen dienten, wurden sie Vesperbilder genannt.
Maria wurde mit dem vor ihr liegenden Leichnam Jesu
abgebildet, der mit dem Oberkörper an einem Felsen lehnt.
Als ein sehr ausdrucksstarkes Mittel sind die am Körper des Toten
herunter laufenden roten Blutspuren anzusehen. Sie
unterstreichen die Auffassung vom Opferblut Christi, welches er
symbolisch für die Sünden der gesamten Menschheit vergoss.
Zusätzlich lehnt der Gottessohn an einem Felsen, der in der
Bibel mehrfach als Symbol der Glaubensfestigkeit genannt wird.
Dieses Vesperbild verkörpert eine der reifsten und
überzeugendsten Gestaltungen des Künstlers. Mit der
Beweinungsgruppe verdeutlicht Breuer nicht nur schlechthin die
christlichen Glaubensinhalte des späten Mittelalters, sondern
gestaltet sie auch individuell nach seinen künstlerischen
Fähigkeiten.
Trotz der eigentlichen Trennung von Mutter und
Sohn (Körper des Toten ist herabgesunken) baut sich die
Gruppe vor dem zackigen Steinhaufen in wohltuender
Geschlossenheit auf. Es geht nichts von der plastischen Einheit
des Gesamtwerks verloren. Tieftraurig und von großem
seelischen Schmerz geprägt, beugt die Gottesmutter ihr noch
junges und liebliches Antlitz über den toten Jesus. Dessen
Haupt ist infolge der vielen qualvollen Schmerzen kraftlos nach
hinten gesunken. Maria trägt bei dieser Darstellung keine Krone
auf dem Haupt. Sie wurde in der Tracht heiliger Frauen mit
Wimpel und Weihel abgebildet. Zusätzlich wird ihr Kopf von dem
großen Manteltuch umgeben, welches außerdem ihren
gesamten Körper einhüllt.
Ihre Gesichtszüge werden von halb
geöffneten Augen, schmaler Nase und schmerzvoll verzerrten
Mund geprägt. Die Mutter Jesu trägt ihren Schmerz um den
toten Sohn nicht still und verhalten, sondern ihr Inneres ist
zutiefst aufgewühlt. Traditionell ist das Gewand der Muttergottes
in Blau gehalten. Dieser blaue Farbton gehörte in der Gotik zu
den kostbarsten überhaupt.
Kunstwissenschaftler 1 gehen davon aus, dass als Vorbild für
Breuers Zwickauer Pieta Tilman Riemenschneiders
Hassenbacher Beweinungsgruppe Pate stand. Eine
Verwandtschaft beider Bildwerke ist offensichtlich. So kniet bei
beiden Beweinungsgruppen Maria hinter dem am Boden
liegenden Sohn, dessen Oberkörper aufgerichtet ist. Auch der
leicht angewinkelte, herabfallende linke Arm ist vergleichbar. Ein
zur Seite geneigter Kopf mit geschlossenen Augen und leicht
geöffnetem Mund findet sich in beiden Darstellungen wieder.
Jedoch übernahm Breuer nur das Aufbauschema des
Würzburgers und bildete seinen eigenen Stil heraus, der dem
des Lehrers kaum nachsteht. Mit Hilfe Tilman Riemenschneiders
hat der Zwickauer Künstler sein technisches Können
weiterentwickelt. Er erwarb beispielsweise die Fertigkeit, ebenso
wie sein Vorbild, tief in das Holz hinein zu schnitzen und
trotzdem Feinheiten stehen zu lassen. Wie sehr Breuer jedoch
seine Figuren individualisiert hat, sieht man an der dramatischen
Gestaltung der um ihren Sohn trauernden Maria. Mit der
weinenden und verbitterten Darstellung ihrer Gesamtfigur
schöpfte er das Tragische der Szene voll aus. Der starke
seelische Schmerz, die Verbitterung und Trauer der Mutter
spiegeln sich nicht nur in ihrem schönen Antlitz wieder. Sogar die
Falten des Gewandes verdeutlichen ihre starken Empfindungen.
Beispielsweise laufen besonders viele Falten und Knitter zu der
Stelle hin, wo die Mutter die Hand des toten Sohnes ergreift.
Auch an den bewegten Linien und Schwüngen ihres
Tränentuches kann man ihre innere Erregung ablesen. Die
gesamte Kleidung verdeutlicht die Aufgewühltheit und
Fassungslosigkeit der Trauernden. Dieses Vesperbild war dafür
geschaffen, das Mitleid der Gläubigen zu erwecken. Die
beeindruckende Realität der Pieta führte wahrscheinlich dazu,
dass sie als eines der wenigen von ursprünglich elf Bildwerken
der Zwickauer Marienkirche die Reformation überlebte und uns
bis in die heutige Zeit erhalten blieb.
Sehr hoch eingeschätzt wurde Peter Breuers Vesperbild auch
von dem Kunsthistoriker Dehio: "... nicht manierfrei, aber edel
und tief gedacht; unter den deutschen Bildhauerarbeiten
verdient dieses Werk einen
hohen Rang." 2 . Nicht ohne Grund bezeichnet man also diese
Zwickauer Gruppe als Hauptwerk Breuers, mit dem er an
Ausdruckskraft alle seine Vorbilder übertroffen hat.
Aus: S. Ebert: Peter Breuer - ein bedeutender sächsischer
Bildschnitzer der Spätgotik, Langenweißbach 2003
1 Vgl. Hentschel, Walter (1951), S. 44.
2 Dehio, Georg: Handbuch der deutschen Kunstdenkmäler, I,
Mitteldeutschland, 1905, S. 341.
Die Autorin Susan Ebert ist Kunst- und Deutschlehrerin am Peter-Breuer-Gymnasium. Ihr Buch widmete sie dem Namensgeber der Schule. Der Zwickauer Bildschnitzer Peter Breuer zählt zu den bedeutendsten Künstlerpersönlichkeiten der Spätgotik in Westsachsen. Seinem Schaffenswerk nähert sich Frau Ebert unter ikonographischen (Werkbeschreibungen), ikonologischen (Bedeutungs- und Sinnzusammenhänge) und formanalytischen Gesichtspunkten. 58 Werke, zumeist Altäre, sind uns von Peter Breuer bekannt. Sie befinden sich hauptsächlich im Zwickauer Umland, in der Stadt Zwickau selbst, im sächsischen Vogtland sowie in Museen (u.a. Freiberg, Leipzig, Berlin, Prag). Der um 1472 geborene Breuer konnte bis zur Reformation auf ein geachtetes Schaffenswerk blicken. Das bilderstürmerische Wirken Thomas Müntzers trug dazu bei, dass kein Bedarf mehr an katholischen Altären bestand. Im Jahr 1521 schuf Breuer sein letztes Altarwerk. Eine Verschuldung seiner Familie war die unabwendbare Folge. Peter Breuer blieb bis zu seinem Tode am 12.09.1541 dem katholischen Glauben treu. Gelegenheitsaufträge wie z.B. das Kruzifix für die Zwickauer Ratsstube von 1539, hatte er dem zum evangelischen Bekenntnis gewechselten Zwickauer Bürgermeister Herman Mühlpfort zu verdanken. Auch wenn es damals kein zeitgemäßer Begriff war, so lässt sich im weitesten Sinn doch von Ökumene sprechen. Ein Beispiel, in dessen Tradition sich auch heute unsere Schule sieht.