Beherzte Freiheit

Ursprünglich war der Besuch von Prof. Kirchhof im November 2018 vorgesehen. Damals musste der Termin krankheitsbedingt verschoben werden. Umso glücklicher waren wir, als Prof. Dr. Paul Kirchhof im Rahmen der Tage der Demokratie und Toleranz am 09. Mai 2019 auf Einladung des Zwickauer Römerforums der Katholischen Akademie Gedanken aus seinem neusten Buch "Beherzte Freiheit" im Foyer des Peter-Breuer-Gymnasiums vorstellte. Dabei ging er auf die anfänglichen Schwierigkeiten bei der Erstellung der "provisorischen" Verfassung ein und endete bei gegenwärtigen Gefährdungen individueller Bürgerfreiheiten.

Das Grundgesetz ist so populär wie nie. Beliebter als je eine Verfassung in Deutschland. Kein ernst zu nehmender Politiker, keine relevante Partei stellt es infrage. Selbst, wer nur wenig mit diesem Land anzufangen weiß – auf die Verfassung können sich irgendwie alle einigen. Grundgesetz und Grundkonsens sind zu Symbolen geworden.

Populär ist das Grundgesetz vor allem deshalb, weil es eine Verfassung der Freiheit ist. Eine Verfassung der alltäglichen, praktischen Bürgerfreiheiten, auf die sich jeder berufen kann. Ganz bewusst haben die Mütter und Väter des Grundgesetzes die Grundrechte, die Garantien elementarer Freiheiten, ganz nach vorn gestellt, an den Anfang der Verfassung.

Rein quantitativ machen die Grundrechte nur einen Bruchteil der Verfassung aus, gerade 19 von mittlerweile über 200 Artikeln. Alles Übrige ist Staatsorganisation – eine Art Betriebsanleitung für die Republik.

Die Grundrechte haben im Verlauf von sieben Jahrzehnten die Bundesrepublik vollkommen verwandelt. Wie ein freiheitliches Korrekturprogramm ging das Grundgesetz über die gesamte Rechtsordnung hinweg, wesentlich vorangetrieben vom Bundesverfassungsgericht. Und immer wieder waren es die Bürger selbst, die mithilfe von Verfassungsbeschwerden in Karlsruhe weitere Freiheiten erkämpft haben.

Kirchhof unterstrich ferner den Gedanken des gegenseitigen Vertrauens als Bedingung für die Freiheit. Freiheit an sich ist bereits ein sehr forderndes Prinzip, die Kombination Gleichheit und Freiheit wirke als anspruchsvolle Herausforderung für jede Gesellschaft. Dabei dürften wir einerseits nicht der Gefahr erliegen, dem Staat Gelegenheit zu bieten, die Freiheit den Bürgern abzukaufen, andererseits auch nicht unsere Zukunft in Freiheit verspielen.

Thomas Wagner