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Ein Sonntag, wie kein anderer

Letzter Sonntag war Ewigkeitssonntag, die meisten sagen lieber Totensonntag, das kann man auch auf jedem Kalender so lesen. Eigenartig, aber wahrscheinlich ist es nur Faulheit, denn das Wort ist 4 Buchstaben kürzer, denn ansonsten will doch keiner mit dem Tod zu tun haben.

 Vergangenes Wochenende habe ich im Fernsehen einen Bericht über Deutschlands größte Geheimnisse gesehen. In einem der Beiträge ging es um das Beinhaus von Oppenheim, eine Art riesigem unterirdischem Friedhof. Die Kommentare der Leute, die dazu befragt wurden, waren ausnahmslos negativ in Richtung von gruselig, ekelig und abstoßend. Eigenartiger Weise, wo man doch wenige Wochen zuvor wie wild war auf Totenschädel und Spinnennetze, Kunstblut und allerlei anderem gruseligem Zeug, aber da war ja auch Halloween, das ist natürlich etwas ganz anderes.

Der Tod ist nur akzeptabel, wenn er künstlich ist, weit weg und wir schön distanziert bleiben können, wie in Filmen und Videospielen. Leider lehrt uns der Alltag im Augenblick gerade in den Krankenhäusern wieder ein ganz anderes Bild und das ist real, aber davon wollen die meisten nichts wissen und verdrängen es.

Ich musste in diesem Jahr am Ewigkeitssonntag zu Hause bleiben und konnte auch nicht auf den Friedhof gehen, das hat mich geschmerzt. Nicht dass der Friedhof so ein gruselig schöner Ort wäre, aber es ist für mich ein wichtiger Ort und an einem Sonntag im Jahr, dem Ewigkeitssonntag, gewinnt er noch einmal in besonderer Weise an Bedeutung. Aber die Zeit um diesen Tag ist eine Zeit, die wir offensichtlich schnell hinter uns bringen möchten. Der November überhaupt wird von vielen als ein dunkler Monat bezeichnet, aber stimmt das? Zwischen dem goldenen Oktober und der verklärten Adventszeit mit dem Lichtermeer an Kerzen liegt diese kurze dunkle Zeit des Innehaltens, die nur wenige aushalten können oder wollen. Da sieht man schon Mitte des Monats in manchen Wohnzimmern die ersten Adventssterne und im Baumarkt kommen einem die Ersten mit ihren Christbäumen entgegen. Viele können es kaum erwarten, dass der Advent oder wie das heute genannt wird, die Vorweihnachtszeit beginnt, dabei beginnt er wirklich erst am Samstagabend vor dem 1. Advent und nicht schon  diese Woche. Ist das nun frohe Erwartung oder hilflose Flucht? Vielleicht beides.

Es ist wichtig, gerade diese letzte Woche des Kirchenjahres nicht zu schnell hinter sich zu bringen, denn wer diese Woche wirken lässt, der spürt, wie sich leise in uns öffnet, was erstarrt ist und was wir verloren haben. Wenn wir zulassen, dass wie trauern und weinen, hilft es uns nicht zu verbittern, denn Tränen machen uns weich. Trauer öffnet die Sehnsucht nach dem Verlorenen, dem Geliebten und den Erinnerungen.

Wenn Menschen trauern, können sie mehr sehen als die sichtbare Welt. Manchmal ist das schon ein Blick hinüber in die andere Zeit. Bilder von dem, was war und was wir erhoffen. Sie sind in uns, diese Bilder, und sie trösten. Das ist kein billiger Trost, mit dem wir uns betäuben oder betrügen, eine anheimelnde Stimmung erzeugen, um die bösen Gedanken zu verdrängen, denn in den einsamen Stunden holt es uns wieder ein. Aber wer sich dem stellt und mit aller Offenheit das Licht im Dunkel sehen will, der wird mit viel größer Freude in die Adventszeit, die Zeit der frohen Erwartung auf die Geburt des Heilands gehen können. Dem öffnet sich der Blick in die Ewigkeit. Der vergangene Sonntag ist nicht der Tag der Toten, es ist der Tag der Erinnerung und der Freude darüber, dass wir unsere Verstorbenen in Gottes Ewigkeit wissen, dass der Tod nicht das letzte Wort hat, sondern die Auferstehung und das ist es, wofür Gott in Jesus Christus Mensch geworden ist, was wir doch bald an Weihnachten wieder feiern wollen.

Pfr.i.E. Kay Lohse